Samstag, 26. August 2017

Individual-Urlaub gegen Pauschalreise

Für meine Lebensgefährtin Ulli ist individuelles Reisen nur bedingt Erholung. Mittags nicht zu wissen, wohin man abends seinen Kopf bettet, macht sie nervös und erzeugt bei ihr Stress. Ihre schönsten Urlaube hatte sie mit Wikinger-Reisen in einer kleinen Gruppe; man muss nur hinter dem Reiseleiter herlaufen, hat sofort Ansprache bei den Mitreisenden, ist nie alleine und muss sich um absolut gar nichts kümmern. Ein gutes Reiseunternehmen weiß, wo die Highlights sind, man hat ja die Tour schon viele Male durchgeführt.
Bei mir ist es genau umgekehrt. Ich mag es nicht, unselbständig hinter einem Reiseleiter her zu dappeln und zu tun, was er mir vorgibt. An manchen Stellen will ich länger verweilen, andere interessieren mich gar nicht. Im Pulk mit anderen Gruppenmitglieder besteht nur selten die Chance, in Gespräche mit Einheimischen zu kommen, und nicht immer bin ich mit den Mitreisenden auf einer Wellenlänge. Ich lasse mich auch gerne überraschen, welchen Platz ich zum Übernachten finde. Dass man bei einem Individualurlaub weniger Geld ausgibt als bei einer gebuchten Reise, ist allerdings eine Mär; gegen Gruppen-Flüge und -Eintritte sowie Sonderkonditionen für Reiseunternehmen kommt man kaum an, und auch beim Aspekt Sicherheit geht der Punkt ganz klar an den Pauschalurlaub.
Warum dann trotzdem auf eigene Faust? Vorfreude und Planung spielen dabei für mich eine große Rolle. Einen Pauschalurlaub buche ich einige Monate vor Reisebeginn, dann kümmere ich mich erst wieder kurz vor der Abfahrt darum, die richtigen Klamotten einzupacken und rechtzeitig am Flughafen zu sein. Die eigenständige Planung einer Reise erfordert meist eine viel längere Vorbereitung, die Reise muss zunächst erst mal geplant werden, Tickets und Hotels müssen gebucht werden, und mit eigenem Fahrzeug muss auch der Transport organisiert werden. Es bleibt bis zum Start spannend, ob alles auch so funktionieren wird. Das kostet viel mehr Arbeit, allerdings ist die Freude dann auch viel größer, wenn alles läuft wie geplant. Je flexibler man ist, desto weniger Stress hat man dabei.
Apropos Stress: man macht ja extra Urlaub, um dem normalen Stress bei Arbeit und Familie mal zu entkommen und um zu entspannen. Warum dann nicht Pauschalurlaub? Weil Stress in gewissen Maßen gesund und notwendig ist, behauptet Wissenschaftsjournalist Urs Willmann in seinem Buch "Stress - ein Lebensmittel". Unter Stress sind Tiere wie Menschen zu Höchstleistungen fähig, etwa bei Flucht oder Gefahrenabwehr. Der Krebsforscher Firdaus Dhabhar hat an der Stanford University Experimente mit Labormäusen durchgeführt: 60 Nager wurden regelmäßig mit ultravioletten Licht bestrahlt. Die Hälfte davon wurde vorher gestresst, indem sie für 2 1/2 Stunden in eine enge Plastikröhre gesperrt wurden. Das überraschende Ergebnis war, dass die gestressten Tiere weniger Tumore entwickelten und diese langsamer wuchsen. Akuter Stress fördert also offensichtlich die Immunabwehr der Mäuse.
Deren Blut wurde daraufhin auf Alarmsubstanzen untersucht, und es wurden viele davon gefunden: Interleukine hemmen Entzündungen, Interferone wirken gegen Tumorzellen, Chemokine bereiten den Körper auf den Kampf mit dem Feind vor und geben den Immunzellen die Richtung vor, wo sie gebraucht werden. Stress schützt also unseren Körper. Und deshalb muss man kein Adrenalinjunkie sein, um Stress zu mögen. Kein Wunder, dass immer neue Aktion- und Fun-Sportarten wie Basejumpen, Kite-Surfen oder Canyoning erfunden und von vielen geliebt werden. Solch ein kurzzeitiger Stress fördert unser Allgemeinbefinden und macht uns glücklich. Dauerhafter Stress führt allerdings dazu, dass der Körper das ausgeschüttete Adrenalin und Cortisol nicht mehr abbauen kann, was zu allen möglichen Krankheiten und Beschwerden führen kann. Interessanterweise leiden nicht die tollen Manager, die sich im Betrieb unentbehrlich fühlen und oft 60 Stunden die Woche in Aktion sind, am meisten an Stresssymptomen, sondern Arbeitslose durch Unterforderung und Frustration, wie eine Studie der DAK ergab.
Es geht also darum, die Balance zu finden bei dieser Reise. Vorfreude ist schon lange da, und je näher der Termin der Abreise rückt, desto mehr kommt ein wenig Angst vor dem Unbekannten dazu, was da wohl auf mich zukommen wird. Das ist gut so, es macht vorsichtig. Mit jedem Tag einer Reise erfährt man mehr über das Land und die Leute, und die Angst wird kleiner. Dieses Gefühl am Ende einer Reise "ich hab's geschafft", das habe ich bei meinen selbst organisierten Reisen in viel stärkerem Maße erfahren als bei jeder Pauschalreise, auch wenn ich in Südamerika 2014 bei einem Überfall oder 2011 bei einem Unfall in der Mongolei durchaus auch negative Erfahrungen machen musste.
Eine nicht unbedeutende Rolle bei der Stresserhöhung spielen derzeit die Politiker. Erdogan beschimpft regelmäßig die deutschen Politiker, und Außenminister Gabriel hat nichts Besseres zu tun als den Deutschen von einer Türkeireise abzuraten. Wenn er dann wenigstens gleich eine Reisewarnung über das Auswärtige Amt ausgesprochen hätte, dann könnten viele von ihrem gebuchten Pauschalurlaub kostengünstig zurücktreten oder umbuchen. So aber müssten sie ihren Urlaub entweder verfallen lassen, oder aber trotzdem fahren, mit einem mulmigen Gefühl. Ich werde den Verdacht nicht los, dass es sich hier um Wahlkampfmanöver handelt; wenn man auf den Andern zeigen kann, fallen die selbst gemachten Fehler nicht so auf. Trump gibt sich auch alle Mühe, niemanden zur Ruhe kommen zu lassen. Wenn er mit dem Ku Klux Klan und anderem rechten Gesocks sympathisiert, die sich in den Staaten mit Hakenkreuz und Hitlerparolen immer offener zeigen, mag das ja eine amerikanische Angelegenheit sein, aber der Handelskrieg mit Russland, das Säbelrasseln wegen Nordkorea und die Verschärfung fast jeden Konflikts auf dieser Erde sind für offene Grenzen, die man zum Reisen braucht, einfach nur hinderlich. Früher gab es mal so etwas wie Geheimdiplomatie, etwa von Henry Kissinger, da hat man erst etwas veröffentlicht, wenn ein Ergebnis erreicht wurde. Heute twittert der Mann an den Atomknöpfen zuerst, dann wird das alles in den Medien breitgetreten und jeder gibt seine Meinung dazu kund, und am Ende bildet sich Trump aus diesem ganzen Meinungsbrei seine eigene Meinung. Nur ist es dann für Verhandlungen meist schon zu spät, niemand will sein Gesicht verlieren. Bleibt dann noch seine Drohung des militärischen Eingreifens ....
Das letzte Wochenende vor dem Start ist eingeläutet, es bleibt nicht mehr viel Zeit. Wenn möglich, will ich am Sonntag Abend das Motorrad fix und fertig gepackt in der Garage stehen haben.  Kurz vor der Abreise ist bei lonely planet noch die aktuelle Ausgabe des  Reiseführers IRAN erschienen. Ich habe zwar schon den von Reise KnowHow, aber so ein ebook wiegt ja nichts. Und bei Eingabe des Promocode "JUMP" gibt es jedes ebook bei lonely planet bis Ende August noch zum Superpreis von 5,95 Euro!
             

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