Mittwoch, 25. Oktober 2017

Heimflug und Fazit

Am Abend hatte mich der Vater der netten Guesthouse-Besitzer mit seinem Range Rover V8 zum Flughafen gefahren. Da sieht man, was man sich mit so einer Pension auch in Georgien leisten kann. Ich war nicht der Einzige, der die Zeit bis zum Abflug auf dem Airport verbrachte, aber ich fand doch noch ein Plätzchen, wo ich mich langlegen konnte. Pegasus Airport ist eine türkische Fluglinie mit recht günstigen Preisen, für 125 Euro von Tiflis nach Frankfurt ist einfach nicht zu toppen. Dafür muss man dann auch einige Abstriche an den Komfort machen: es gibt nichts zu essen und zu trinken, außer gegen Aufpreis, der Sitzabstand ist äußerst knapp bemessen, und die Rückenlehnen lassen sich nicht verstellen. Ich war aber so müde, dass ich es trotzdem irgendwie geschafft habe, den größten Teil des Fluges zu dösen. Die etwa 28°C Bordtemperatur waren da sicher nicht ganz unschuldig, aber die Piloten wollten wohl auch ihr Jacket ablegen.
Regen in Istanbul
In Istanbul regnete es, und der Flughafen Istanbul-Sabiha Gökcen auf dem asiatischen Teil war brechend voll, so dass ein Schlafplatz Illusion war. Nach einigen Stunden Warten ging es dann aber los Richtung Heimat. Der Flieger landete eine Stunde zu früh, verlor aber schon fast eine halbe Stunde davon wieder, weil er von der neuen Landebahn zu einem Stellplatz an Terminal 2 wechseln musste. Dort wartete dann die Polizei an den beiden Treppen vom Flieger und überprüfte alle Ausweispapiere, was noch einmal 15 Minuten kostete. Dieselbe Prozedur mit noch einmal einer Viertelstunde dann erneut im Gebäude, wobei EU-Bürger wenigstens die automatische Kontrolle wählen konnten, während es bei allen Anderen noch länger dauerte. Eigentlich wären wir jetzt genau pünktlich gewesen, wäre da nicht das Gepäck gewesen. Das dauerte dann noch einmal eine Stunde, zumindest bei mir, und ich war bestimmt nicht der Letzte am Rollband. Dass dann die Rolltreppe zum Parkhaus außer Betrieb war und der Fahrstuhl ebenfalls, sei nur am Rande erwähnt. Der Flughafen Frankfurt will immer größer werden, schafft es aber nicht, seine Aufgaben zu machen und wenigstens den laufenden Betrieb ordentlich zu gewährleisten. Die Grünen sind mal angetreten, dem ungezügelten Wachstum auf Kosten der hier lebenden Bürger die Rote Karte zu zeigen, inzwischen sind sie selbst zu Vertretern dieses Umweltsünders Nr.1 in der Region geworden. Für mich keine Wahl mehr, zumal sie mit der Jamaika-Koalition offenbar die letzten Hürden über Bord werfen. Für was braucht man dann noch Grün, dann kann man gleich schwarz wählen, das ist wenigstens keine Mogelpackung.
Ulli holte mich am Flughafen ab, das war das erste Mal Autobahnfahrt seit ihrem Schlaganfall. Super, wie sie das alles wieder macht, nicht nur wegen meiner Bequemlichkeit. Kaum daheim, hieß es nach dem Auspacken schon wieder Vorbereitungen für die Arbeitswoche in Hannover zu treffen; um 5:45 Uhr geht der Bus zum Bahnhof.
Und welches Fazit kann man einige Tage danach ziehen? Zunächst mal habe ich festgestellt, dass die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes allesamt für die Tonne sind. So ist da u.a. zu lesen, dass auf der Strecke Kerman-Bam, die ich auch gefahren bin, Reisende nach Errichtung einer Straßensperre von Mitgliedern einer terroristischen Gruppierung erschossen wurden. Ich habe in Bam explizit nachgefragt: dieser Vorgang ist 16 Jahre her und hat mit der heutigen Wirklichkeit absolut gar nichts zu tun. Ich war östlich von Kerman auch auf Nebenstrecken unterwegs, man braucht da tagsüber wirklich überhaupt keine Bedenken zu haben. Gewarnt wird auch vor sexuellen Übergriffen auf Frauen und Diebstahlskriminalität im Iran. Nirgendwo habe ich von Übergriffen auf Frauen gehört; und mein Motorrad samt allen Wertsachen, teils sogar mit Photorucksack und Geld, konnte ich überall stehen lassen und mir Sehenswürdigkeiten ansehen oder einkaufen, es wurde nie etwas gestohlen. Ich nehme an, das hängt einerseits mit den Vorschriften des Islam zusammen, andererseits schrecken sicher auch die drakonischen Strafen ab. In Europa jedenfalls würde ich mich nie trauen, meine Sachen unbewacht mitten in der Stadt herumstehen zu lassen. Gewarnt wurde auch vor Versammlungen an Festtagen, explizit auch dem Ashura-Fest. Genau das Gegenteil war richtig: Iraner versuchen, dem Europäer den Sinn des Festes zu erklären, sie gehen auf die Ausländer zu, ohne bekehren zu wollen. Nirgendwo ist man Ziel von Beschimpfungen, stattdessen wird man überall angesprochen und zum Tee eingeladen. Einzig bei Amerikanern und Israelis sieht das wahrscheinlich anders aus, aber das sind auch nur Vermutungen, gesehen habe ich nämlich keine.
Wer Einsamkeit im Iran sucht, der sollte sich besser ein anderes Ziel suchen. Im Iran leben etwa so viele Menschen wie in Deutschland, nur ist der Iran etwa 5 x größer. Da sollte es doch eine Menge Stellen geben, an denen man alleine ist? Die findet man auch, allerdings hauptsächlich im Gebirge und in der Wüste, beide oft unzugänglich oder auf Grund der Temperaturen lebensfeindlich. Viele Iraner wohnen und arbeiten in Städten oder darum herum, und wie bei uns flieht man am Wochenende in die Natur. Den tropischen Temperaturen am Kaspischen Meer entkommt man nur wenige hundert Meter höher in den Bergen des Alborz, dasselbe gilt für die Städte am Persischen Golf mit Sommertemperaturen von weit über 40°C. Autofahren ist günstig im Iran, Benzin kostet umgerechnet etwa 23 Cent. Und die Iraner sind ein geselliges Volk, in dem die Familie der Mittelpunkt ist. Anläßlich etwa des Ashura-Festes treffen sich alle Nachkommen am Geburtsort irgendwo auf dem Land, egal, wie verstreut sie sind. Man kocht und erzählt zusammen, macht Ausflüge und feiert auch gerne mit den Nachbarn. Obwohl die Straßen im Iran wirklich super ausgebaut sind, kommt es gerade an Wochenenden zu vielen Staus, so dass ich mich anfangs wirklich gefragt hatte, warum ich eine so weite Reise mache, nur um dann irgendwo im Stau zu stehen. Womit ich gleich beim Thema Autofahren im Iran wäre, das man eigentlich nur so beschreiben kann: selbst wenn es Regeln gäbe, hält sich niemand daran; der Stärkere hat immer Vorfahrt! Aber trotz allem gibt es noch eine gewisse Rücksichtnahme in Hinblick auf ausländische Fahrzeuge. Wer genauso wie die Iraner auf Regeln pfeift und einfach probiert, sich in jede Lücke reinzuquetschen und sich die Vorfahrt zu erzwingen, der hat am wenigstens Stress mit den anderen Autofahrern. Auch wenn ein Fussgänger am Zebrastreifen steht, niemals anhalten, sonst fährt dir einer drauf, weil er mit so einem Verhalten nie und nimmer rechnet. Bei Stau kann man jede Einbahnstraße verkehrt herum fahren, oder auch über den Bürgersteig, da wird auch kein Polizist etwas sagen. Rote Ampeln beachten, wenn man zufahren könnte, ist Verkehrsbehinderung und wird von hinten mit Hupen und Schimpfkanonaden kommentiert. Immer damit rechnen, dass ein Autofahrer einen überholt und dann mit quietschenden Bremsen nach rechts rausfährt, weil er da einen Obststand entdeckt hat. Umgekehrt wird auch nie der Blinker beim Losfahren gesetzt, sondern einfach mal gestartet und dann der Blick in den Rückspiegel geworfen oder auch nicht. Der Nächste kann ja ausweichen. Dass das nicht immer klappt, das sieht man den Autos an; kaum eines, dessen Seiten nicht demoliert sind, und viele fahren ohne Stoßstangen vorne und hinten, weil die beim letzten Touch kaputt gegangen sind.
Für Wanderungen in der Wüste oder Bergtouren abseits des Straßenverkehrs fehlte mir leider die Zeit, aber da gibt es im Iran viel zu entdecken. Die kulturellen Sehenswürdigkeiten in den großen Städten sind zahlreich und sicher mehr als die paar Tage Aufenthalt wert, die ich dafür zur Verfügung hatte. Es gibt kaum Beschränkungen für uns Nichtgläubige, lediglich während des gemeinsamen Gebets sind manche Moscheen nicht zugänglich. Die Hotels entsprechen mit kleinen Abstrichen durchaus denen bei uns, sie sind aber im Vergleich zu den sonstigen Lebenshaltungskosten auch relativ teuer. Ein normales Sitzklo hatten alle Zimmer, die ich bewohnt habe, lediglich auf Raststätten und in Restaurants gab es hin und wieder nur Stehklos. Das Essen empfand ich als weniger vielfältig, aber ich habe immer etwas gefunden, um satt zu werden. Lediglich das Frühstück war nichts für mich; manchmal nur Tee, und statt Marmelade gab es morgens schon scharfe Suppe oder Gebratenes. Die meisten Iraner waren sehr kontaktbegierig, viele sprachen leidliches Englisch, manche aber auch in Perfektion. Von dem Embargo habe ich nichts gemerkt, man konnte das neueste Smartphones genauso kaufen wie einen Flatscreen Fernseher der neuesten Generation. Bei den Autos herrschten allerdings Koreaner, Japaner und vor allem Peugeout vor, während man in Armenien und Georgien hauptsächlich Mercedes auf der Straße sah. Whatsapp wird von den Iranern selbst mit Begeisterung genutzt, ständig hört man das Gepfeife für "neue Nachricht". Ansonsten sind aber viele Internetseiten geblockt, u.a. auch GPSies und meine Blog-Seiten. Hier hilft ein kostenloser VPN-Zugang, dann klappt alles, wenn auch mit relativ niedriger Geschwindigkeit. Bilder in den Blog hochladen kann damit schon mal eine abendfüllende Aufgabe sein. Ich hatte mit Psiphon3 immer Zugang zu allen gewünschten Internetseiten. Über die eigene Fritzbox daheim kostenlos telefonieren, hat im Iran nur einmal funktioniert, während es in der Türkei und Georgien keine Probleme damit gab.
Meine KTM Enduro 690 wäre für diese Reise wirklich das ideale Motorrad gewesen, wenn da nicht die Öffnung für den Tank genau unter dem Gepäck liegen würde. So hieß das, bei jedem Tanken alles abladen, tanken und wieder aufladen, was nie unter einer halben Stunde ging. Eventuell könnte man dem mit Zusatztanks abhelfen, die eine Verbindung zum Originaltank haben. Diese sind zwar ohne TÜV, aber wenn man erst mal im Ausland ist, spielt das keine Rolle. Voll beladen pegelte sich der Verbrauch knapp unter 4 l ein, Öl brauchte sie etwa 1 Liter auf 10000 km. Der Reifenverschleiß der Originalbereifung war minimal, lediglich der Lenkeinschlag könnte wesentlich größer sein. Mehrmals musste ich vor- und zurücksetzen, um in einer engen Strasse zu wenden. Die Sitzbank ist für längere Strecken hart und unbequem, aber da hilft die Mitnahme einer gepolsterten Radlerhose. Von den ganzen Papieren wie Internationaler Führerschein, Internationaler Kraftfahrzeugschein , Impfpass etc. brauchte ich letztlich nur den Reisepass mit dem iranischen Visum, die nationale Zulassung und das Carnet de Passage. Hotels vorzubuchen war fast unmöglich; meist suchte ich mir die Adressen in den beiden Reiseführern heraus, die ich als PDF-Dateien auf dem Smartphone hatte. Geldautomaten gab es zwar zahlreiche für die Iraner, aber mit der VISA-Karte gab es da für mich kein Geld. Das Bargeld hatte ich an mehreren Stellen verteilt, so dass ich für den Fall der Fälle immer über eine Notreserve verfügen konnte. Geldwechseln ging an der Grenze und an Sehenswürdigkeiten bei Straßenhändlern, ansonsten aber auch oft im Hotel oder in einer Geldwechselstube in der Stadt. Der Kurs lag während dieser Zeit irgendwo bei 46000 Rials pro Euro, aber zu Beginn hatte ich den mangels Erfahrung noch nicht bekommen.
Den Rücktransport des Motorrads über West-East-Travel kann ich guten Gewissens nicht empfehlen. Slava antwortet zwar meist umgehend, aber die notwendigen Infos muss man sich alle selbst holen. Von der Agentin Lana in Tiflis bekam ich nur eine unvollständige Telefonnummer, und bei meiner Ankunft wusste sie auch nichts von meinem Motorrad, so dass auch keine leere Transport-Kiste für mich da war. Der Preis wurde im Laufe der Buchung bis zur Bezahlung auch zweimal angehoben, und von Tiflis aus war Slava nicht erreichbar, weil er gerade auf Tour war. Ich bin gespannt, wann ich die KTM endlich abholen kann und ob sie überhaupt kommt. Schriftlich habe ich nämlich nichts bis auf die bezahlte Rechnung.
Die Menschen sind wirklich extrem freundlich, die Landschaft sehr abwechslungsreich, und die kulturellen Sehenswürdigkeiten beeindruckend. Trotzdem hatte ich nach der Reise nicht das Gefühl, da muss ich unbedingt noch einmal hin. In Afrika, der Mongolei oder teils auch Südamerika ist man als Reisender in einer völlig anderen Welt und tut sich nach dem Heimflug erst mal schwer, sich wieder umzustellen. Im Iran dagegen hatte ich eher den Eindruck, das ist genauso wie bei uns daheim, nur mit einer anderen Religion und einer anderen Landschaft; derselbe Kommerz, derselbe Autoverkehr, die eigene Wohnung oder das eigene Häuschen, die Ausflüge an den Wochenenden, das neueste Handy und das Träumen von einem besseren Leben. Vielleicht liegt das auch an meinem fortgeschrittenen Alter: mit 63 Jahren hat man nicht mehr ewig Zeit zum individuellen Reisen, da muss man sich Ziele setzen. Und die heißen für mich Nordamerika und Kanada, Neuseeland, hinter die abgebrochene Reise aus der Mongolei einen Haken zu setzen, und bestimmt auch noch einmal Afrika. Wenn es dann auf dem Weg in den Oman noch einmal durch den Iran ginge, hätte ich nichts dagegen, aber er ist kein vorrangiges Ziel mehr. Erwin hatte die letzten Tage eine Mail geschrieben, er sucht Mitfahrer für Namibia und Australien mit dem 4x4, will aber seine BMW XChallenge verkaufen. Hätte ich nicht die KTM, würde ich zuschlagen. Aber noch arbeite ich ja in Hannover, da ist die Zeit knapp. Mal sehen, wohin es demnächst geht, und mit welchem Gefährt.

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